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Liebe Bürgernn und Bürger

„Die Wählernn und Wähler haben entschieden, die Freude bei den Mitgliedernn und Mitglieder unserer Partei ist groß, wir haben einen großartigen Sieg errungen, den auch die Politikernn und Politiker der anderen Parteien anerkennen müssen.“

Das ist nicht nur lächerlich und geradezu zwanghaft politisch korrekt, sondern sprachliche Separation zwischen den Geschlechtern und daher sicher ungewollter Sexismus, der mir da aus den Medien entgegenklingt. Das weibliche „Die“ für die Mehrzahl und das maskuline Plural (Wähler, Bürger, Mitglieder, Politiker, Studenten), also das generische Maskulinum sollten zusammen doch eigentlich für genügend ausgleichende Gerechtigkeit sorgen.

Weil ich den 1991 veröffentlichten Artikel „Die neue Frauensprache – Über die ’sprachliche Apartheid der Geschlechter'“ von Dagmar Lorenz nicht mehr im Netz finde, hier daraus ein Zitat, das ich erst nach längerem Suchen gefunden habe:

Ist die feministische Sprachmode wirklich so korrekt, wie es uns die Korrekten (fast) aller Medien glauben machen wollen? Wäre es nicht sogar möglich, dass der Furor unserer SprachverbesserInnen schlicht auf einem Irrtum beruht?
Ausgehend von der Prämisse, dass das ‚Genus’ (also das ‚grammatische Geschlecht’) mit dem ‚Sexus’ (dem ‚natür-lichen Geschlecht’) gleichzusetzen sei, sprechen sie dem ‚generischen Maskulinum’ jede objektivierende Funktion ab. Folgt man den Thesen der feministischen Sprachwissenschaftlerinnen Luise F. Pusch und Senta Trömel-Plötz, so folgt aus der Tatsache, dass allein die ‚maskulinen’ Formen geschlechtsübergreifend verwendbar sind, der ‚sexistische’ Charakter dieser Formen und mithin der ‚frauenfeindliche’ Charakter der deutschen Sprache überhaupt. Die vermeintliche Notwendigkeit einer ‚Feminisierung’ der deutschen Sprache wird mit scheinwissenschaftlicher Rhetorik behauptet. So plädiert Luise F. Pusch für den Ersatz der ‚Maskulina’ durch ‚Feminina’, indem sie ein herbeiphantasiertes ‚Strukturgesetz’ bemüht, wonach ‚das schöne lange Femininum’ eine ‚Grundform’ sei, ‚das kurze, quasi abgehackte Maskulinum’ dagegen eine ‚Schwundform’ darstelle. Auch biologistische Begründungen müssen für diese These herhalten. Der Mann, so Luise Pusch, sei als das sekundäre Geschlecht, also eine Abweichung des weiblichen Bauplans zu betrachten und verdiene daher eine sprachliche Benachteiligung. Die wahren Beweggründe für die geplante ‚Feminisierung’ der Sprache indes spiegelt das sogenannte ‚Gerechtigkeits-Argument’ wider. Die Sprache, so die Autorin, solle dazu beitragen, eine Art von ‚kompensatorischer Gerechtigkeit’ zu befördern: ‚Es besteht kein Zweifel daran, dass die Frau sprachlich (natürlich auch in jeder anderen Hinsicht) extrem benachteiligt ist. Was ihr zusteht und was sie braucht, ist nicht Gleich- sondern Besserbehandlung, kompensatorische Gerechtigkeit, (…). Es wird ihm (erg.: ‚dem Mann’) gut tun, es im eigenen Gemüt zu erleben, wie es sich anfühlt, mitgemeint zu sein, sprachlich dem anderen Geschlecht zugezählt zu werden, diesen ständigen Identitätsverlust hinzunehmen’. Dieses Zitat drückt es klar und deutlich aus: die von Pusch anvisierte ‚Feminisierung’ der Sprache beruht allein auf der Absicht, Rache am männlichen Geschlecht zu üben. Aber: sollen wir deshalb fortan das Schreiben und Sprechen als Racheakte betreiben?

Eine Wissenschaftlerin, die ihr Publikum mit der Frage konfrontiert: Wie können wir aus Männersprachen humane Sprachen machen? muss sich den Vorwurf der Geschlechterdiskriminierung gefallen lassen!

Leider ist das das einzige Fragment dieses Artikels, das ich öffentlich im Netz gefunden habe. An allen Stellen, auf die Links zeigen, ist er entfernt. Warum nur?

Auf alle Fälle war dieser Artikel die Antwort einer um die deutsche Sprache besorgten Frau auf die radikalen feministischen Forderungen nach Änderung unserer Sprache. Man (?) erinnere sich: BinnenI und Verwendung von frau statt man …

Viele Diskussionen und Jahre später ist uns also eine „korrekte“ Politikeransprache, wie oben in der Einleitung gezeigt, geblieben. Umständlich. Krampfig. Lächerlich.

Ich für mich bleibe dabei, „die Professoren“ zu schreiben und „die Anwender“, wenn ich alle meine, Mann oder Frau. Würde ich nur die männlichen Professoren meinen, dann kann ich das ja explizit ausdrücken, also „die Herren Professoren“ ansprechen. Und wenn es alleine die Frauen unter ihnen bezeichnen soll, „die Professorinnen“, „die Anwenderinnen“. Die neue universitäre Gendersprachschleife, „Studenten“ zu „Studierende“ zu machen, empfinde ich ebenso aufgesetzt wie „Studentinnen und Studenten“. Dazu zum Abschluss ein hübsches Zitat von Max Goldt:

Wie lächerlich der Begriff Studierende ist, wird deutlich, wenn man ihn mit einem Partizip Präsens verbindet. Man kann nicht sagen: In der Kneipe sitzen biertrinkende Studierende. Oder nach einem Massaker an einer Universität: Die Bevölkerung beweint die sterbenden Studierenden. Niemand kann gleichzeitig sterben und studieren.

  1. Basti
    25. März 2012, 16:48 | #1

    Hallo,

    ich stimme dir da vollkommen zu. Ich bin Student in Wien und muss diesen Gender-Wahn beinahe tagtäglich miterleben. In Österreich ist das Binnen-I sehr viel verbreiteter als in Deutschland. Sogar die Skripten und um Teil Lehrbücher sind durchsetzt mit Binnen-Is und allgemein „gendergerechter Sprache“. Furchtbar!!

    Schöne grüße aus Wien von jemandem, der 2009 eher zufällig durch Pissau spaziert ist. 🙂

  2. Basti
    25. März 2012, 16:52 | #2

    Ach ja, wie kommst du auf die Schreibweise „Bürgernn und Bürger“? Es heißt doch „korrekt“ „Bürgerinnen und Bürger“. 😀

  3. a+d+min
    25. März 2012, 17:37 | #3

    @Basti
    “Bürgernn und Bürger” ist das, was dabei rauskommt, wenn die Politiker im Gender-Schnellsprech Interviews geben. Ähnlich wie “Bunzreplik Deutschland” (das Martin Walser in einem seiner Romane die Politiker in Talkshows sagen ließ). Wow, ein Österreicher, der Pissau kennt ganz schöne Grüße nach Wien!

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